Das zeigt eine öffentliche Veranstaltung von Damenfahrradclubs in London 1899. Wenn man die Geschichte nicht kennt, sieht es vielleicht nur amüsant aus. Bis die „Safety“-Räder entwickelt wurde (das ist so ungefhär 1885), war das Radfahren auf Hochrad für Frauen fast unmöglich. Damit fuhren nur Artistinnen und ganz wenige Einzelpersonen, die keine Angst vor schlechten Ruf hatten.
Das änderte sich schlagartig, als „Safety“-Räder mit pneumatischen Reifen auf den Markt kamen. Mit dem Herrenrahmen(Diamantrahmen) hatten die Damen Probleme, denn ihre Kleidung damals war ausgesprochen ungeeignet zum Radeln.
Hosen tragen war undenkbar. Viel Beine zeigen war auch unmöglich. Gesellschaftliche Konvention waren sehr streng. Wenn man eigenen Ruf als Dame nicht ruinieren wollte, mußte man auf Radfahren verzichten. Bloomers mit Wollstrumpfe, die manche progressive Frauen trugen, wurde von der Gesellschaft nie richtig akzeptiert. Nur die Frauen, die Rennen fuhren, hatten sozusagen Kniebundhosen mit Wollstrünpfe an, weil sie Räder mit Herrenrahmen fuhren. Aber bald kam das Aus für Damennradrennen in vielen Ländern(auch in Deutschland), ausgerechnet weil die Radfahrerverbände Damenrennen verboten haben.
Da kam aber Fahrradindustrie zuvor und stellte Damenrad vor. Das konnte man auch mit langem Rock fahren. Damit wurde der Damm gebrochen. Plötzlich wollten alle Frauen, nicht nur jung, Fahrrad fahren. Der innere Wünsche mußten sehr groß gewesen sein.
Nun mußten die Frauen sich von Korsett befreien. Das Teil ist genauso schlimm wie Burka oder Fußbinde. Als Walzer und Galopp en vogue war, sind die Frauen beim Tanzen reihenweise ohnmächtig geworden, wegen Korsett! Das Zeug machte tiefes Atmen unmöglich. Ironischerweise wollten meisten Frauen selbst von dieser Kleidung nicht trennen. Es war Zeichen weiblicher Eleganz, die sie so aktiv betrieben hat(um Männer zu gefallen, einfach gesagt). Kompromisslösung wurde gesucht, um Konvention nicht allzuviel zu strapazieren, aber trotzdem praktischer und fahrtüchtig zu machen. Es hat einige zeit gedauert, bis die Frauen sich von Korsett gänzlich befreit haben.
Damenfaahrrdclubs wurden gegründet. Innerhalb 10 Jahren bis 1900 ist das Radfahren bei Frauen so populär und fast selbstverständlich geworden. Das war eine Revolution. Dazu einige Zitaten:
„Das blitzschnelle Dahinfliegen durch eigene Kraft bietet ja besonderes der Anfängerin einen wunderbaren, fast zauberischen Reiz. Wer von uns hätte sich nicht schon gefreut, wenn es ihm gelang, einige gemächlich dahintrollende Sportskameraden „abzusägen“ und dann vergebliche Versuche derselben, der schneidige Fahrerin zu folgen abzuschütteln.“ (Amalie Rother, 1897)
„Das Bicyle hat zur Emanzipation der Frau…. mehr beigetragen als alle Bestrebungen der Frauenbewegung zusammen.“ (Rosa Mayreder,österreichische Frauenrechtlerin, 1905)
„Ich glaube, daß die Benutzung von Fahrrädern dabei ist, unsere Sitten tiefgreifender zu verändern, als man sich allgemein noch im Zweifel ist. Alle diese junge Frauen, all die jungen Mädchen, die losfahren und den Raum erobern, hängen einen Großteil des häuslichen Lebens, des Familienlebens an den Nagel.“ (Sarah Bernhardt, 1896)
„Wenn irgend etwas den deutschen Charakter ändern kann, so ist es die deutsche Frau. Sie selbst ist dabei, sich sehr rasch zu verändern – fortschrittlich zu werden, wie wir sagen. Noch vor zehn Jahren hätte keine Frau, die ihren guten Ruf hütet und noch auf einen Ehemann hofft, ein Fahrrad bestiegen. Heute sausen sie zu tausenden durch die Lande. Die alten Leute schütteln die Köpfe über sie; aber die jungen Männer, stelle ich fest, holen sie ein und fahren an ihrer Seite.“ (Jerome K. Jerome, 1899)
„Offenbar lernt jede Frau in London, Fahrrad zu fahren. Die Straßen und Parks hallen von den Schreien wieder,,“ (Jerome K. Jerome, 1895)
„Ihm verdankt unsere Frauenwelt die freiere Stellung, die sie heute in der Öffentlichkeit wahrnimmt. Das Fahrrad holte die Haustöchter vom Strickstrumpf und hinter dem Kochtopf weg und führte sie mit Bruder und Freund hinaus in die freie Natur, machte unsere Mädels frei von der ständigen Aufsicht der Mütter und Tanten und erzog sie zu selbständigem Handeln. Unsere Frauen sollten daher dem Fahrrad ein Denkmal setzen, denn es hat gerade für sie so viele alte, hemmende und hindernde Vorurteile, so vieles, was sich, Gott weiß aus welchen Gründen, nicht schickte, vom alten wurmstichigen Thron gestoßen, hat unseren Mädchen die Möglichkeit gegeben, sich außerhalb des Hauses frei zu bewegen und hat damit auch den Boden für die freie Berufstätiggkeit der Frau geebnet.“ (Georg Hermann, 1901)
Alle Zitaten hier habe ich aus den Büchern von Herrn Lessing entnommen, alle Fotos/Bilder aus dem Netz.
Freilich war Radfahren erst nur für gut situierte Damen(und natürlich Herren) vorbehalten(wie viele Fotos das deutlich zeigen). Fahrrad war teuer. Aber es wurde rapid preisgünstiger so daß 1910 fast jeder in Deutschland Fahrrad leisten konnte. Das vergrößerte den Kreis radfahrenden Frauen sehr schnell.
Und, merkt man, daß diese Art Damenräder seit 120 Jahren kaum geändert heute noch angeboten werden?
Es gibt auf dem Netz einige Sites, di sich auch mit der Geschichte des Damenradfahrens beschäftigen:
http://www.oldbike.eu/emancipation/?page_id=1474
https://cyclehistory.wordpress.com/2015/01/30/women-on-the-move-cycling-and-the-rational-dress-movement/
http://www.sheilahanlon.com/